Hallo Ihr Lieben!
Corona-Woche und Newsletter Nummer 7. Irgendwie leidet in Corona-Zeiten auch unser Zeitgefühl. Manchmal denke ich: „Das war doch erst gestern, dass ich mit Theresa auf Bonni durch den Wald getrabt bin.“ Und manchmal fühlt es sich an, als wäre die letzte Reitstunde mit euch Ewigkeiten her. „Zeit“ ist wirklich ein komische Sache. Eine Schulstunde oder Wartezeit beim Zahnarzt kann einem vorkommen wie Jahre und eine Reitstunde oder eine Geburtstagsfeier fühlt sich an wie eine Sekunde. Aber auf jeden Fall sollte man seine „Zeit“ nutzen und das Beste aus jeder „Zeit machen“; egal ob aus Corona-Zeiten, Wartezeiten beim Zahnarzt oder Mathestunden.
Für uns vergeht die Zeit meist wie im Flug. Die Versorgung der Tiere und die Pflege des Gartens beanspruchen schon mehrere Stunden am Tag und dann stehen auch noch viele au0ßergewöhnliche Aktionen an. Von einigen dieser Aktionen möchte ich euch jetzt berichten.
Ich habe es ja schon erzählt, dass auf unserer Trauerbuche – das ist der riesige Baum neben unserem Haus – regelmäßig Störche gelandet sind und geklappert haben. Damit die Störche auf dem Baum ein Nest bauen können, haben wir oben auf dem Baum eine Plattform angebracht. Wobei „Wir“ ist nicht ganz richtig: Baumkletterer Hendrik Thies die Konstruktion für die Plattform mit seinem Opa gebaut und dann mit Hilfe seines Opas auf dem Baum befestigt. Dann haben die beiden noch das Wagenrad, das bisher immer an der Wand unserer Werkstatt stand, stabilisiert. Dieses Wagenrad ist aber so schwer, das kann man unmöglich den Baum hinaufziehen. Deshalb ist die Firma Honert mit einem Hubwagen gekommen. Hendrik und Marcel, der Fahrer des Hubwagens, haben das Rad in den Korb gewuchtet, und los ging es in schwindelerregende Höhe. Mir wurde schon beim Zusehen ganz schummerig und habe schweißnasse Hände bekommen. Wenn ich ehrlich bin: Ich klettere noch nicht einmal gerne auf einen Hochsitz. Hendrik und Marcel macht die Höhe aber nichts aus. Ruckzuck haben sie das Rad an der Konstruktion befestigt, Fotos für uns aus der „Vogelperspektive“ geschossen und dann ging es wieder ab nach unten.
In diesem Jahr wird wahrscheinlich kein Storchenpaar mehr ein Nest bauen. Dazu ist es leider schon ein wenig spät. Aber im nächsten Jahr, da wird dann hoffentlich auf unserer Trauerbuche wie wild geklappert. So locken die Storchenmänner die Storchenfrauen an. Dann wird hoffentlich ein Nest bebaut, Hochzeit gefeiert und dann werden hoffentlich Eier gelegt. Bis dahin ist Corona sicherlich vorbei und ihr könnt die Storchenfamilie dann hoffentlich auch beobachten.
Störche fliegen übrigens im Herbst nach Afrika. Afrika ist ganz schön weit weg, über 1000 Kilometer. Hier bei uns wird es den Störchen zu kalt und sie finden im Winter auch nicht genug Nahrung. Störche fressen besonders gerne Frösche (und die kriechen ja im Winter tief in den Schlamm, um dort zu überwintern), Mäuse und andere kleine Tiere. Aber sobald es wieder wärmer wird, also im Frühling kommen die Störche zurück und bauen ein neues Nest. Dieses neue Nest bauen sie aber genau an der Stelle, an der sie auch letztes Jahr gebrütet haben. Sie bauen ein neues Nest über ihr altes Nest. Deshalb wird so ein Storchennest von Jahr zu Jahr höher und höher; und natürlich auch schwerer und schwerer, Deshalb haben Hendrik und sein Opa auch eine besonders stabile Konstruktion gebaut. Es wäre ja sonst viel zu gefährlich, wenn so ein Nest samt Plattform herunterfallen würde.
Was gab es noch Besonderes? Unsere Alpakas und Schafe wurden geschoren. Jetzt sehen Oskar, Floki, Kalle, Helen und Gudrun total klein und nackig aus. Ehrlich gesagt, sind sie fast ein wenig hässlich )-: Aber verratet ihnen nicht, dass ich das geschrieben habe. Sie sehen einfach total ungewohnt aus. Selbst Kalle, der ja so groß aussah, ist plötzlich nur noch halb so groß. 4 Kilo Wolle sind von den Alpakas gekommen. Das ist ein riesiger Sack voll. Aus dieser Wolle lassen wir uns jetzt eine Bettdecke und Kopfkissen machen. Alpakawolle ist etwas ganz besonderes. Deshalb sind Pullis, Mützen und andere Kleidung aus Alpakawolle auch sehr teuer. Wir haben die Alpakas und Schafe aber nicht scheren lassen, damit wir daraus eine Bettdecke und Kissen machen lassen. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Der Hauptgrund fürs Scheren ist aber, dass es den Tieren unter ihrer Wolle viel zu warm wird. Ihr zieht jetzt ja auch keine Winterjacke und eine Strumpfhose an. Und auf eine Mütze verzichten wir im Sommer auch gerne. Alpakas und Schafe können ihre Wolle nicht einfach ausziehen und deshalb kommt der Scherer. Und: Das Fell wächst sehr schnell nach. In ein paar Wochen sind Floki, Oskar, Kalle, Helen und Gudrun wieder so süß wie immer.
Unsere Hühner spielen mit uns „Ostern“. Das heißt, sie verstecken ihre Eier. Sie legen sie also nicht mehr brav in die Kisten im Hühnerstall, sondern irgendwo in den Sand. Immer so gut versteckt, dass wir lange suchen müssen. Neulich habe ich Antonia gefunden und unter ihr 13 Eier. Sie wollte die Eier gerne ausbrüten. Aber das macht ja keinen Sinn, denn wir haben keinen Hahn. Und ohne Hahn kommen keine Küken in die Eier. Das hat Antonia wohl vergessen. Nun, an dem Abend gab es lecker Rührei, und Antonia hat das Glucken (so nennt man das, wenn ein Huhn auf den Eiern sitzt, um diese auszubrüten) wieder aufgegeben und rennt mit Frieda, Erica und Pünktchen wieder umher.
Auch wenn es für euch wahrscheinlich nicht so erfreulich war. Wir haben uns riesig über den Regen gefreut. Klar, bei Sonnenschein und den hohen Temperaturen kann man prima draußen spielen. Das genießen wir auch sehr. Aber die Bäume, Blumen und auch das Gras kann bei der Trockenheit nicht wachsen. Nun hat es aber noch einmal einen „Schuss“ gemacht und am Samstag lassen wir Kasper, Bert, Balu, Jou, Bonni und Amigo das erste Mal in diesem Jahr auf die Weide. Ich hatte euch ja schon geschrieben, dass man Pferde vorher „anweiden“ muss. Das heißt, dass man sie ganz vorsichtig und langsam an Gras gewöhnen muss, damit sie keine Bauchschmerzen (bei Pferden heißt das Kolik) bekommen. Am Samstag dürfen sie für 10 Minuten auf die Weide, am Sonntag 15 Minuten, Montag 20 Minuten usw. Vorher müssen wir noch einmal nachschauen, ob der Zaun noch überall in Ordnung ist. Denn es wäre wirklich schlimm, wenn die Pferde weglaufen würden und auf der Straße einen Unfall verursachen müssen. Deshalb gehört „Zaunkontrolle“ zu den regelmäßigen Aufgaben von Pferdebesitzern. Für unsere Pferde ist es immer ein besonderer Tag, wenn sie zum ersten Mal wider auf die Weide dürfen. Wahrscheinlich so wie für uns Weihnachten oder Geburtstag.
Ich habe den Brief mit dem Thema „Zeit“ begonnen und möchte ihn auch mit dem Thema „Zeit“ beenden. Wisst ihr, was ein riesiger Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist? Der Umgang mit der Zeit. Tiere leben ausschließlich in der Gegenwart, also in dem Moment der JETZT ist. Wir Menschen denken viel an früher und an die Zukunft. Wir machen uns Sorgen über „Morgen“, „übermorgen“, „nächste Woche“, „nächstes Jahr“ und grübeln darüber nach, was in der Vergangenheit alles war. Tiere grübeln nicht. Sie machen sich keine Sorgen darüber, was morgen, übermorgen, nach den Ferien, nach Corona oder sonst irgendwann ist. Klar, wir Menschen müssen uns schon Gedanken um die Zukunft machen und planen. Anders würde alles durcheinander gehen und im Chaos enden. Aber viele Gedanken und Sorgen sind auch völlig überflüssig. Es macht keinen Sinn stundenlang darüber nachzugrübeln, wie wohl der neue Stundenplan aussieht und wer der neue Mathelehrer wird. Es ist sinnlos, weil es nichts ändert. Über Sachen nachzugrübeln, auf die wir keinen Einfluss haben, ist unnötig. Und außerdem zerstören die Grübeleien über die Zukunft oft die Gegenwart. Das heißt, in der Zeit, in der wir darüber grübeln, was wir morgen kochen, was der Lehrer/ der Chef wohl zu meinen Ausarbeitungen sagt und was wir nächste Woche der Oma zum Geburtstag schenken sollen, in dieser Zeit verschwenden wir den Augenblick. Wir übersehen in diesem Augenblick vielleicht den schönen Schmetterling, wir spüren nicht den Sonnenschein auf der Haut und ersticken gute Ideen für die Gegenwart. Da können wir von Tieren viel lernen. Sie genießen den Augenblick. Sie genießen den Sonnenschein und schauen nicht auf die Wetterapp, um dort zu sehen, dass das nächste Tiefdruckgebiet nach. Sie genießen das frische Gras und fragen nicht: „Gibt es morgen wieder Gras oder gibt es morgen nur Heu?“. Tiere freuen sich, wenn du da bist und fragen nicht: „Wann musst du wieder gehen?“ Wir Menschen bringen Tieren sehr viel bei. Hunde lernen bei Fuß zu laufen, Sitz und Platz zu machen. Pferde lernen uns auf ihrem Rücken zu tragen und Papageien lernen sprechen. Da finde ich es gerecht, wenn wir auch etwas von Tieren lernen. Nämlich: Den Augenblick zu genießen! Das geht auch in Corona-Zeiten! Viel Spaß dabei!
Bleibt gesund, passt auf euch und andere auf und genießt die Gegenwart!
Liebe Grüße: Petra und alle anderen Forsthöfler